Das Cottageviertel im 18./19. Wiener Bezirk im Wandel der Zeit
Entstehung und Baugeschichte des Wiener Cottageviertels
Einleitung: Das Wiener Cottageviertel als Kulturerbe
Das Wiener Cottageviertel, gelegen im 18. und 19. Gemeindebezirk, gehört heute zu den exklusivsten und zugleich historisch bedeutendsten Wohngegenden der Stadt. Mit seinen prachtvollen Villen, von Bäumen gesäumten Straßen und weitläufigen Gärten vermittelt es bis heute den Eindruck einer kleinen Stadt in der Stadt. Doch hinter diesem besonderen Viertel steckt nicht nur architektonische Schönheit, sondern auch eine spannende Geschichte, die eng mit den sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklungen Wiens im 19. Jahrhundert verbunden ist.
Entstehung und Entwicklung des Cottageviertels
Vorbild: Das Londoner Cottage Movement
Die Ursprünge des Wiener Cottageviertels reichen bis in das Jahr 1872 zurück. Inspiriert wurde das Projekt vom englischen Cottage Movement, das in London in der Mitte des 19. Jahrhunderts populär wurde. Ziel war es, eine Alternative zum dicht bebauten Stadtkern zu schaffen: einfache, aber elegante Wohnhäuser mit Gärten, die den Bewohnern Luft, Licht und Grün boten.
Die Idee stieß auch in Wien auf fruchtbaren Boden, denn die rapide Industrialisierung und das Wachstum der Bevölkerung führten in den innerstädtischen Bezirken zu Platznot, Lärm und hygienischen Problemen. Das Cottage sollte hier Abhilfe schaffen und zugleich einen neuen Standard für bürgerliches Wohnen setzen.
Gründung der Wiener Cottage-Vereinigung 1872
Im selben Jahr gründete sich die Wiener Cottage-Vereinigung, die zum Ziel hatte, Grundstücke am Stadtrand zu erwerben, zu parzellieren und nach strengen Vorgaben zu bebauen. Besonders wichtig war dabei die Einhaltung eines einheitlichen Erscheinungsbildes: freistehende Villen, viel Grün, breite Straßen und eine harmonische Nachbarschaft.
Schon bald war klar, dass dieses Viertel nicht nur architektonisch, sondern auch gesellschaftlich einen besonderen Stellenwert haben würde – es zog vor allem wohlhabende Bürger, Akademiker und Künstler an, die hier einen Rückzugsort vom hektischen Stadtleben fanden.
Erste Bauphase im 18. Bezirk (Währing)
Die erste Bauetappe begann im 18. Bezirk Währing, rund um die Cottagegasse, Gymnasiumstraße und Hasenauerstraße. Dieses Gebiet wird bis heute als Altes Cottage bezeichnet. Die Villen dieser Phase waren vergleichsweise bescheiden, oft in Semidetached-Bauweise (Doppelhäuser) errichtet, mit klaren, funktionalen Grundrissen.
Die Häuser zeichneten sich durch eine Mischung aus bürgerlicher Eleganz und Zurückhaltung aus – ein deutlicher Gegensatz zu den prunkvollen Zinspalästen der Ringstraße. Schon bald entwickelte sich das Währinger Cottage zu einer begehrten Adresse, die den Grundstein für die weitere Ausdehnung legte.
Erweiterung in den 19. Bezirk (Döbling)
Das Projekt wuchs rasch und dehnte sich in den 19. Bezirk Döbling aus. Hier entstand das sogenannte Neue Cottage, das noch großzügiger und repräsentativer angelegt wurde. Döbling war wegen seiner Nähe zu den Weinbergen, der Höhenlage und der guten Luft besonders attraktiv für wohlhabende Familien.
Das Cottage in Döbling erhielt schnell den Ruf, das „grüne Refugium“ der Wiener Bourgeoisie zu sein. Hier ließen sich nicht nur Unternehmer, Ärzte und Beamte nieder, sondern auch Künstler, Musiker und Diplomaten.
Bauphasen und Architektur im Cottageviertel
Die ersten Villen in Semi-detached-Bauweise
Die Anfänge des Cottageviertels waren geprägt von Doppelhäusern, die nach englischem Vorbild in Semi-detached-Bauweise errichtet wurden. Diese Bauten sollten erschwinglich, aber dennoch hochwertig sein und boten Raum für Familien aus dem gehobenen Bürgertum.
Entwicklung hin zu freistehenden Villen
Mit der steigenden Nachfrage und dem wachsenden Wohlstand der Bewohner veränderte sich das Erscheinungsbild. Immer häufiger entstanden freistehende Villen, die deutlich größer und repräsentativer waren. Diese Entwicklung zeigt den Wandel vom ursprünglichen sozialen Ideal des „erschwinglichen Eigenheims“ hin zum Luxuswohnsitz für die Oberschicht.
Luxuriöse Residenzen der Gründerzeit und des Jugendstils
Um die Jahrhundertwende wurden die Villen zunehmend prachtvoller. Bauherren beauftragten renommierte Architekten, die im Stil des Historismus oder des aufkommenden Jugendstils bauten. Reich verzierte Fassaden, kunstvolle Erker und elegante Wintergärten prägten das Bild.
Viele dieser Villen sind bis heute erhalten und gelten als architektonische Meisterwerke des Wiener Fin de Siècle.
Moderne Adaptionen im 20. Jahrhundert
Nach dem Ersten Weltkrieg veränderten sich die Anforderungen an Wohnhäuser. Einige Villen wurden modernisiert, umgebaut oder erweitert. In den 1960er- und 1970er-Jahren entstanden zwar auch Neubauten, doch dank des Cottage Servituts konnte der historische Charakter weitgehend bewahrt werden.
Villen und Landhäuser mit Gartenanlagen
Ein zentrales Merkmal des Cottageviertels ist die Verbindung von Haus und Garten. Jede Villa war von einem Privatgarten umgeben, oft mit Obstbäumen, Ziersträuchern und kleinen Parkanlagen. Dieses Konzept machte das Wohnen hier einzigartig: städtisch und doch naturnah.
Typische Baustile: Historismus, Jugendstil und Gründerzeit
Die architektonische Vielfalt reicht vom strengen Historismus über prachtvolle Gründerzeitbauten bis hin zu eleganten Jugendstilvillen. Jedes Haus erzählt seine eigene Geschichte, doch zusammen ergeben sie ein harmonisches Stadtbild, das bis heute begeistert.
Erhaltungsmaßnahmen und Denkmalschutz
Viele Villen des Cottageviertels stehen heute unter Denkmalschutz. Das Ziel ist es, den einzigartigen Charakter des Ensembles zu bewahren. Umbauten und Neubauten unterliegen strengen Vorschriften – ein Grund, warum das Viertel bis heute seinen historischen Charme nicht verloren hat.
Rechtlicher Rahmen und Persönlichkeiten des Cottageviertels
Das Cottage Servitut – Regeln für Bau und Erhaltung
Ursprung und Ziel des Cottage Servituts
Ein entscheidender Faktor für das besondere Erscheinungsbild des Cottageviertels ist das sogenannte Cottage Servitut. Bereits bei der Gründung der Wiener Cottage-Vereinigung im Jahr 1872 wurde festgelegt, dass für die Bebauung strenge Regeln gelten sollten. Ziel war es, ein einheitliches architektonisches Ensemble zu schaffen, das sich durch Freiraum, Gärten und eine gewisse Harmonie auszeichnete.
Einschränkungen für Bauherren und Architekten
Das Servitut schrieb unter anderem vor: keine mehrstöckigen Zinshäuser, sondern ausschließlich Villen oder Landhäuser; Mindestabstände zwischen den Gebäuden; verpflichtende Gartenflächen; Bauhöhenbeschränkungen; harmonische Fassadengestaltung. Damit wurde bewusst ein Kontrast zu den dicht bebauten Gründerzeitvierteln im Zentrum geschaffen.
Keine Abrisse: Schutz alter Villen und Ensembles
Besonders wichtig ist die Bestimmung, dass viele Gebäude nicht abgerissen werden dürfen. Dieses Verbot gilt bis heute und schützt das Viertel vor moderner Nachverdichtung. Stattdessen werden alte Villen restauriert und an die heutigen Wohnbedürfnisse angepasst.
Das Cottage Servitut ist damit einer der Gründe, warum das Viertel noch immer so aussieht wie vor über 100 Jahren – eine Seltenheit in einer Großstadt wie Wien.
Anwendung und Bedeutung heute
Auch im 21. Jahrhundert wird das Servitut strikt angewendet. Eigentümer, die ein Haus umbauen wollen, müssen umfangreiche Genehmigungen einholen. Neubauten sind zwar möglich, müssen sich jedoch stilistisch und baulich in das Ensemble einfügen. Dadurch bleibt der historische Charakter des Cottageviertels weitgehend erhalten – und genau das macht es zu einem der begehrtesten Wohnviertel Europas.
Berühmte Persönlichkeiten im Cottageviertel
Das Wiener Cottageviertel war stets mehr als ein exklusives Wohngebiet. Es war ein Ort, an dem sich Literaten, Künstler, Musiker, Wissenschaftler und Unternehmer niederließen – Menschen, die die Kulturgeschichte Wiens entscheidend geprägt haben.
Literaten: Arthur Schnitzler, Felix Salten, Hugo von Hofmannsthal
Arthur Schnitzler, der große Dichter der Wiener Moderne, lebte in der Sternwartestraße 71. Sein Haus wurde zu einem Treffpunkt für Schriftsteller und Intellektuelle. Seine Werke wie Liebelei oder Der Reigen spiegeln die gesellschaftlichen Spannungen und bürgerlichen Lebenswelten wider, die eng mit dem Cottage verbunden waren.
Felix Salten, berühmt als Autor von Bambi, war ebenfalls mit dem Viertel verbunden. Sein literarisches Schaffen kreiste um die Natur, das Großbürgertum und gesellschaftliche Fragen – Themen, die in der Welt des Cottageviertels eine zentrale Rolle spielten.
Hugo von Hofmannsthal, einer der bedeutendsten österreichischen Dichter, verkehrte häufig in den Salons des Cottage, wo sich Literatur, Kunst und Gesellschaft auf hohem Niveau mischten.
Wissenschaftler: Sigmund Freud und andere Intellektuelle
Der Begründer der Psychoanalyse, Sigmund Freud, hatte zwar seine weltbekannte Praxis im 9. Bezirk (Berggasse 19), doch verkehrte er regelmäßig in den intellektuellen Kreisen des Cottageviertels. Zahlreiche seiner Kollegen und Patienten lebten hier. Das Viertel war ein Ort, an dem medizinische, philosophische und gesellschaftliche Ideen aufeinandertrafen.
Musiker und Komponisten: Johannes Brahms und Weggefährten
Das Cottageviertel war auch ein Anziehungspunkt für Musiker. Johannes Brahms war regelmäßiger Gast bei Musikliebhabern und Mäzenen, die im Cottage ihre Villen hatten. Private Salons mit Hauskonzerten gehörten zum kulturellen Leben – ein Beweis, dass das Cottage nicht nur architektonisch, sondern auch musikalisch blühte.
Künstlerfamilien und Mäzene: Rothschilds, Habsburger, Wiener Unternehmerfamilien
Das Cottage zog auch Angehörige des Hochadels und der Wirtschaftselite an. Die Rothschilds ließen hier prachtvolle Villen errichten und setzten Maßstäbe für repräsentatives Wohnen. Mitglieder der Habsburger verbrachten Zeit im Cottage oder besaßen Residenzen in der Nähe. Unternehmerfamilien der Gründerzeit trugen mit ihren Häusern und gesellschaftlichen Netzwerken zur kulturellen Bedeutung des Viertels bei.
Arik Brauer: Künstler in der Colloredogasse
Ein moderner Vertreter der künstlerischen Elite im Cottageviertel war Arik Brauer (1929–2021). Der Maler, Sänger, Dichter und Architekt war Mitbegründer der Wiener Schule des Phantastischen Realismus und zählt zu den bekanntesten Künstlern Österreichs des 20. Jahrhunderts. Brauer lebte viele Jahre in einer Villa in der Colloredogasse und prägte die künstlerische Identität des Viertels. Sein Haus war nicht nur Wohnsitz, sondern auch ein Ort kreativer Schaffenskraft. Seine Anwesenheit zeigt, dass das Cottageviertel auch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein Zentrum für Kunst und Kultur blieb.
Mediziner-Tradition im Cottageviertel
Dr. Caucig war einer der ersten Ärzte, die im Cottageviertel praktizierten. Als „Cottagearzt“ betreute er Generationen von Bewohnern. Seine Nachfolger führten diese Tradition weiter. Heute wirkt Dr. Peri Bergmann-Caucig in vierter Generation in der Colloredogasse 1 – ein seltenes Beispiel für eine Familie, die seit den Anfängen des Cottageviertels bis heute hier lebt und arbeitet.
Niki Lauda: Die Villa im Währinger Cottage
Einige Zeit vor seinem Tod erwarb der dreifache Formel-1-Weltmeister Niki Lauda eine Villa im Währinger Cottage. Seine Entscheidung, gerade hier zu wohnen, unterstreicht den Status des Viertels als Rückzugsort der internationalen Elite.
Aktuelle prominente Bewohner und deren Residenzen
Noch heute beherbergen die Villen des Cottageviertels Diplomaten, Unternehmer und Künstler. Zahlreiche Gebäude dienen als Botschaften oder Residenzen hochrangiger Persönlichkeiten. Diese Mischung aus Geschichte, Kultur und internationalem Prestige macht das Viertel einzigartig.
Teil 3 – Das Cottageviertel im 20. Jahrhundert
Krisenzeit zwischen den Weltkriegen
Mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts hatte sich das Wiener Cottageviertel bereits als exklusives Wohngebiet etabliert. Wohlhabende Bürger, Künstler und Intellektuelle prägten das gesellschaftliche Leben. Doch die politische und wirtschaftliche Entwicklung in Europa sollte auch das Cottage nicht unberührt lassen.
Nach dem Ersten Weltkrieg änderten sich die sozialen Strukturen in Wien stark. Viele Adelsfamilien verloren ihre wirtschaftliche Basis, zahlreiche Villen wechselten die Besitzer. Während manche Häuser weiterhin in Privatbesitz blieben, wurden andere zu Mietvillen oder Mehrparteienhäusern umgestaltet.
Die Zwischenkriegszeit brachte zudem eine politisch angespannte Atmosphäre mit sich. Wien wurde zum Schauplatz sozialer Auseinandersetzungen, die 1934 im Bürgerkrieg kulminierten. Zwar blieb das Cottageviertel von direkten Kämpfen verschont, doch auch hier spürte man die Unsicherheit. Manche Familien verließen Wien, andere mussten ihren Lebensstil stark einschränken.
Kriegsschäden und Bombentreffer im Zweiten Weltkrieg
Der Zweite Weltkrieg brachte schwere Zerstörungen über Wien – und auch das Cottageviertel blieb nicht unversehrt. Obwohl es nicht zu den am stärksten bombardierten Stadtteilen gehörte, kam es zu zahlreichen Bombentreffern. Einzelne Villen wurden schwer beschädigt oder komplett zerstört. Ganze Straßenzüge litten unter Splitterschäden und Bränden. Manche Häuser blieben über Jahre hinweg Ruinen, da der Wiederaufbau lange auf sich warten ließ.
Besonders tragisch war, dass einige der architektonisch wertvollsten Villen in dieser Zeit verloren gingen. Damit verschwand ein Stück Baugeschichte, das durch das Cottage Servitut eigentlich geschützt war – doch Krieg macht vor solchen Regeln nicht halt.
Darüber hinaus mussten viele Bewohner das Viertel verlassen. Jüdische Familien, die seit Generationen im Cottageviertel lebten, wurden verfolgt, enteignet oder ins Exil gezwungen. Einige ihrer Villen wurden von den Nationalsozialisten beschlagnahmt und später anderweitig genutzt.
Wiederaufbau und Umgestaltungen nach 1945
Nach 1945 begann die schwierige Phase des Wiederaufbaus. Wien lag in Trümmern, und auch das Cottageviertel musste sich neu erfinden. Während einige Villen mühsam restauriert wurden, entschied man sich bei anderen für vereinfachte Wiederaufbauten, die nicht immer an die Pracht der ursprünglichen Architektur heranreichten.
In dieser Zeit änderte sich auch die Nutzung vieler Häuser: Einige Villen wurden in Mehrfamilienhäuser umgebaut, um die große Wohnungsnot zu lindern. Andere dienten als Sitz von Botschaften oder internationalen Organisationen. Wieder andere wurden verkauft und gelangten in den Besitz neuer, oft wohlhabender Eigentümer.
Die Mischung aus Notwendigkeit und Pragmatismus führte dazu, dass das Cottageviertel nach dem Krieg etwas an seinem einheitlichen Charakter verlor. Doch das Grundkonzept – Villen, Gärten, Ruhe – blieb bestehen.
Sanierungen und neue Wohnkonzepte ab den 1970er Jahren
Ab den 1970er-Jahren änderte sich das Bild erneut. Wien erlebte eine Phase der Stadterneuerung, und auch das Cottageviertel rückte wieder in den Fokus. Die historische Bedeutung des Viertels wurde zunehmend erkannt, und viele Villen kamen unter Denkmalschutz.
Private Eigentümer investierten in aufwendige Sanierungen. Historische Fassaden wurden restauriert, Innenräume modernisiert. Manche Villen wurden zu Büros, Arztpraxen oder Botschaftsresidenzen umgewidmet.
Diese Phase markierte eine Renaissance des Cottageviertels. Aus einem teilweise heruntergekommenen Villenviertel wurde wieder ein Symbol für Exklusivität und Lebensqualität. Immobilienpreise begannen stark zu steigen, und die Nachfrage nach Häusern im Cottage explodierte.
Ein besonderer Aspekt dieser Zeit war die wachsende internationale Bedeutung des Viertels. Diplomaten, Unternehmer und Künstler aus aller Welt zogen hierher. Das Cottageviertel wandelte sich vom bürgerlichen Refugium des 19. Jahrhunderts zu einem kosmopolitischen Wohnviertel mit internationalem Flair.
Literatur, Botschaften und Sicherheit im Cottageviertel
Bücher und Publikationen über das Cottageviertel
Das Wiener Cottageviertel hat nicht nur architektonisch und gesellschaftlich Spuren hinterlassen, sondern auch in der Literatur und Forschung. Zahlreiche Bücher, Bildbände und wissenschaftliche Arbeiten beschäftigen sich mit seiner Entstehung, Entwicklung und den Persönlichkeiten, die hier lebten.
Historische Standardwerke
Bereits im späten 19. Jahrhundert erschienen erste Schriften über die Gründung und Bauweise des Cottageviertels. Diese Werke dienten damals auch als Werbematerial für mögliche Bauherren und zeigen heute eindrucksvoll, mit welcher Vision die Gründer vorgingen.
Neuere Monografien und Bildbände
In den letzten Jahrzehnten wurden zahlreiche Bildbände veröffentlicht, die die Villen des Cottageviertels mit beeindruckenden Fotografien dokumentieren. Diese Bücher richten sich nicht nur an Historiker, sondern auch an Architekturliebhaber und Sammler. Sie verdeutlichen, wie gut erhalten viele der Häuser sind und wie stark das Servitut zum Schutz beigetragen hat.
Literarische Auseinandersetzungen und Romane mit Cottage-Bezug
Neben wissenschaftlichen Publikationen taucht das Cottageviertel auch in Romanen und Essays auf. Autoren der Wiener Moderne wie Arthur Schnitzler oder Felix Salten lebten hier und thematisierten in ihren Werken das Leben des Bürgertums, das im Cottage seinen Ausdruck fand. Auch moderne Autorinnen und Autoren greifen das Viertel als Schauplatz literarischer Handlungen auf, da es für Exklusivität, Intimität und gesellschaftliche Eleganz steht.
Bedeutende Autoren und Herausgeber der letzten Jahrzehnte
Zu den neueren Publikationen zählen Werke von Architekturhistorikern und Stadtforschern, die das Cottageviertel in den Kontext der Wiener Stadtentwicklung stellen. Diese Bücher sind nicht nur für Experten interessant, sondern auch für alle, die sich für die Kulturgeschichte Wiens begeistern.
Das Wiener Cottageviertel heute
Wohnlage und Immobilienpreise
Das Cottageviertel zählt heute zu den teuersten Wohngegenden Wiens. Gründe dafür sind neben der Lage auch der Ensembleschutz und die Begrenzung von Neubauten durch das Cottage Servitut.
Kulturelle Bedeutung und Lebensqualität
Neben der Exklusivität ist das Cottage auch ein Symbol für Lebensqualität. Weitläufige Gärten, ruhige Straßen, die Nähe zu Parks wie dem Türkenschanzpark und die gute Anbindung an die Innenstadt machen das Viertel attraktiv. Bewohner schätzen die Kombination aus städtischer Infrastruktur und idyllischer Ruhe.
Spaziergänge und Sehenswürdigkeiten
Für Besucher lohnt sich ein Spaziergang durch die Cottagegasse, die Sternwartestraße oder die Colloredogasse, wo alteingesessene Familien wie die Caucigs noch tätig sind. Besonders sehenswert sind die zahlreichen Jugendstilvillen, die Gedenktafeln berühmter Persönlichkeiten und die prachtvollen Botschaftsresidenzen.
Diplomatische Präsenz: Botschaften im Cottageviertel
Liste bedeutender Botschaften und Residenzen
Das Wiener Cottageviertel ist nicht nur ein exklusives Wohngebiet, sondern auch ein internationales diplomatisches Zentrum. Zahlreiche Botschaften und Residenzen befinden sich in den prachtvollen Villen des 18. und 19. Bezirks. Diese Ansiedlungen sind kein Zufall: Das Cottage bietet die perfekte Kombination aus repräsentativer Architektur, ruhiger Lage und hoher Sicherheit.
Zu den wichtigen diplomatischen Vertretungen zählen unter anderem: Malaysia, Israel, OPEC-Residenz, Thailand, Indonesien, Südkorea, Norwegen, Ukraine und Japan.
Villen als Residenzen von Botschaftern
Die Villen dienen nicht nur als Wohnsitz der Botschafter, sondern auch als repräsentative Orte für offizielle Empfänge, Feste und diplomatische Treffen. Viele dieser Häuser wurden sorgfältig renoviert und an die Bedürfnisse moderner diplomatischer Arbeit angepasst, ohne ihren historischen Charakter zu verlieren.
Einfluss der Diplomaten auf das Viertel
Die starke diplomatische Präsenz verleiht dem Cottageviertel einen internationalen Charakter. Hier treffen sich Politiker, Kulturschaffende und Wirtschaftsvertreter aus aller Welt. Das Viertel ist dadurch nicht nur ein Wohnort, sondern auch ein Ort internationaler Begegnungen.
Gleichzeitig sorgt die Ansiedlung zahlreicher Botschaften und Residenzen für eine besonders hohe Sicherheitsstufe: Staatspolizei, diplomatische Schutzdienste und private Sicherheitsfirmen sind präsent und tragen dazu bei, dass das Cottageviertel als eines der sichersten Viertel Wiens gilt.
Sicherheit im Cottageviertel: Polizei, Staatspolizei und Botschaftsschutz
Das Cottageviertel gilt heute als eines der sichersten Viertel Wiens. Dies liegt nicht nur an der wohlhabenden Bewohnerschaft, sondern vor allem an der starken Sicherheitspräsenz. Reguläre Polizei ist regelmäßig in der Gegend unterwegs, um die öffentliche Ordnung zu sichern. Staatspolizei und Spezialeinheiten überwachen das Viertel wegen der zahlreichen Botschaften besonders genau. Private Sicherheitsdienste, die von den Botschaften oder wohlhabenden Bewohnern beauftragt werden, sorgen zusätzlich für Schutz.
Diese Kombination aus staatlicher und privater Überwachung macht das Cottageviertel zu einer der am besten gesicherten Wohnlagen in Wien. Bewohner und Besucher schätzen die hohe Sicherheitsqualität, die weit über den Wiener Durchschnitt hinausgeht.
Wandel, Vergleich und Bedeutung für Wien
Demographischer Wandel im Cottageviertel
Überalterung der Bewohnerstruktur und Generationenwechsel
Das Wiener Cottageviertel ist seit jeher ein Wohnort für die wohlhabende Bevölkerungsschicht – Unternehmer, Ärzte, Diplomaten und Künstler. In den letzten Jahrzehnten jedoch zeigte sich ein deutlicher demographischer Wandel. Viele der Bewohner, die in den 1950er- und 1960er-Jahren einzogen, sind mittlerweile hochbetagt.
Die großen Villen, die einst von Familien über Generationen hinweg bewohnt wurden, stehen heute oft vor einem Generationenwechsel. Erben übernehmen die Häuser, entscheiden sich aber nicht immer, selbst dort zu wohnen. Stattdessen werden die Objekte häufig verkauft – meist zu sehr hohen Preisen an Investoren oder internationale Käufer.
Vom Familienhaus zur Investitionsvilla
Die Immobilienpreise im Cottageviertel sind in den letzten Jahrzehnten stark gestiegen. Für viele Nachkommen ist der Verkauf einer Villa die wirtschaftlich sinnvollste Entscheidung. Dies führt dazu, dass immer mehr Häuser in den Besitz von Investoren gelangen, die sie renovieren oder als repräsentative Stadtresidenzen nutzen.
Diese Entwicklung verändert auch das soziale Gefüge: Aus dem einstigen bürgerlich-intellektuellen Viertel ist heute eine internationale Enklave der Superreichen geworden. Der ursprüngliche Gemeinschaftscharakter, den die Cottage-Vereinigung im 19. Jahrhundert anstrebte, ist nur noch in Spuren vorhanden.
Alteingesessene Cottage-Familien – eine Seltenheit
Nur wenige Familien leben seit den Anfängen des Cottageviertels kontinuierlich in diesem traditionsreichen Stadtteil. Eine bemerkenswerte Ausnahme ist die Ärztefamilie Caucig/Bergmann-Caucig, die seit über vier Generationen ihre Ordination in der Colloredogasse 1, Ecke Gymnasiumstraße führt – und damit eine der ältesten medizinischen Adressen des Viertels bewahrt.
Bereits Ende des 19. Jahrhunderts war Dr. med. univ. Hugo Caucig als praktischer Arzt und Homöopath bekannt. Als „Cottagearzt“ arbeitete er eng mit der nahegelegenen Cottage Apotheke in der Hasenauerstraße zusammen und legte damit den Grundstein für eine bis heute andauernde medizinische Tradition.
Sein Sohn Dr. Franz Caucig führte die Praxis weiter und ergänzte sie gemeinsam mit seiner Frau, der Internistin Dr. Brunhilde Caucig, um eine moderne allgemeinmedizinische Betreuung.
In der nächsten Generation eröffnete Dr. Horst Caucig im Jahr 1978 seine Facharztpraxis für Geburtshilfe und Gynäkologie am selben Standort, wo er bis heute tätig ist.
Seit 2009 führt Dr. Peri Bergmann-Caucig in vierter Generation die Familiengeschichte fort. Als Hautärztin verbindet sie modernste Medizin mit einer über hundertjährigen Tradition.
Die Familie Caucig/Bergmann-Caucig ist damit ein lebendiges Symbol für Kontinuität und Verwurzelung in einem Viertel, in dem die meisten alten Familienlinien durch Verkäufe, Erbschaften oder politische Umbrüche längst verschwunden sind.
Vergleich mit anderen Wiener Villenvierteln
Hietzing – die noble Nachbarschaft von Schönbrunn
Ein weiteres berühmtes Villenviertel Wiens liegt im 13. Bezirk Hietzing. Dort entstand im Umfeld von Schloss Schönbrunn ebenfalls eine exklusive Wohngegend, die bis heute Diplomaten, Unternehmer und Künstler anzieht. Im Gegensatz zum Cottageviertel prägen hier aber auch großbürgerliche Mietshäuser das Bild.
Grinzing und Sievering – Villen mit Weinbergblick
Im 19. Bezirk, etwas weiter westlich, liegen die Ortsteile Grinzing und Sievering. Auch hier finden sich prachtvolle Villen, viele mit direktem Blick auf die Weinberge. Diese Viertel sind stärker durch die Verbindung von städtischem Wohnen und ländlicher Idylle geprägt und ziehen ebenfalls eine wohlhabende Klientel an.
Cottageviertel als Sonderfall
Im Vergleich dazu ist das Cottageviertel einzigartig, da es von Anfang an als planmäßig errichtetes Ensemble entstand – mit klaren Bauvorschriften (Cottage Servitut) und dem Anspruch, ein harmonisches Ganzes zu schaffen. Während andere Villenviertel eher organisch gewachsen sind, ist das Cottage ein städtebauliches Konzept, das bis heute Bestand hat.
Bedeutung des Cottageviertels für Wien
Architektonisches Kulturerbe
Das Cottageviertel ist ein Schatzkästchen der Architekturgeschichte. Historismus, Jugendstil und Gründerzeit finden sich hier auf engstem Raum. Viele Häuser stehen unter Denkmalschutz und sind Beispiele für die hohe Baukunst des späten 19. Jahrhunderts.
Soziokulturelles Symbol
Das Cottage ist auch ein Symbol für den Aufstieg des Wiener Bürgertums im 19. Jahrhundert. Hier manifestierte sich der Wunsch nach einem neuen, gesunden und ästhetischen Wohnen – ein Gegenentwurf zu den überfüllten Mietskasernen der Innenstadt.
Internationale Bedeutung
Heute ist das Cottageviertel auch ein internationales Zentrum. Zahlreiche Botschaften und Residenzen befinden sich in den Villen. Diese diplomatische Präsenz gibt dem Viertel nicht nur Prestige, sondern sorgt auch für besondere Sicherheit durch Polizei, Staatsschutz und private Sicherheitsdienste.
Lebensqualität und Exklusivität
Für die Bewohner bietet das Cottageviertel eine außergewöhnliche Lebensqualität: ruhige Straßen, viel Grün, prachtvolle Architektur, kulturelle Nähe und höchste Sicherheit. Es ist ein Stück Stadt, das trotz Globalisierung und Immobilienboom seine eigene Identität bewahrt hat.
Fazit
Das Wiener Cottageviertel ist heute weit mehr als ein exklusives Wohngebiet. Es ist ein lebendiges Denkmal für die Geschichte Wiens, das den Aufstieg des Bürgertums, die Zerstörungen des 20. Jahrhunderts und den Wandel zu einem internationalen Diplomaten- und Luxusviertel in sich trägt.
Der demographische Wandel zeigt, dass die alteingesessenen Familien seltener werden, während neue Eigentümer das Gesicht des Viertels prägen. Dennoch bleibt das Cottageviertel dank des Servituts, des Denkmalschutzes und der diplomatischen Präsenz ein einzigartiger Ort – ein Symbol für Beständigkeit, Exklusivität und Wiener Lebensart.
